2015 Ludwigsburger Kreiszeitung

Ludwigsburg | 22. Dezember 2014
Eine Party für alle Generationen Schon um 19 Uhr brennt die Bude. Die dicken Mauern der 500 Jahre alten Kelter beben und die Scheiben beschlagen. Die Jüngsten, die hier abtanzen, sind 17, die ältesten 77 Jahre alt. Sie alle stehen auf guten, ehrlichen und handgemachten Rock. Allen kommt das Supermarktgedudel zu den Ohren raus. Außer, es klatscht einem „Last Christmas“ à la Boss Hoss um die Ohren, „Jingle Bells“ im Rockabilly-Style oder „Feliz Navidad“ als Rock 'n' Roll. „All I want for christmas“ und „Santa Claus is coming to town“ sind nur als Punkrock-Versionen gestattet.
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Fünf exzellente Bands, fünf Stunden nonstop Musik. Dieses Jahr wirkten mit: „Redhouse Habbit“ mit ihren breitbeinigen Riffs, „Nittid“ mit tanzbarem Funk-Rock und „Mirror of age“ mit neu interpretierten Rock-Klassikern. Das Programm von „X-mas“ ist jedes Mal neu. Denn nach zwei Gigs in Folge müssen die Bands ein Jahr pausieren. „Wir wollen Abwechslung, und dass die Mischung stimmt“, sagt der Programmchef Marco Wiesinger, Nur „Z’laut“ ist gesetzt, die Lokalmatadoren um Frontmann Marco Wiesinger. Er ist Miterfinder von „X-mas“. Und sie sind auch die Einzigen, die von Anfang an und seither immer dabei sind. Soundchecks vor Publikum sind Roland Wiesinger, dem Vorsitzenden des Musikvereins, ein Gräuel. „Das passiert bei uns Stunden vorher.“ Die Profis von Lautmacher speichern die Einstellungen und auf Knopfdruck ist alles da, auch das passende Licht. Und die sonstigen Umbaupausen überbrücken dieses Jahr „Bob’s Finest“ mit den Heroen der Rockgeschichte und einer sensationellen Röhre am Mikrofon auf der Nebenbühne. Es wird alles gecovert, was Rang und Namen hat. Die Beatles und die Stones. Queen, Bruce Springsteen und die Dire Straits. Sogar Brubecks Klassiker „Take Five“ wird neu interpretiert – im Ska-Kleidchen. Alles, bloß keine kitschige Gefühlsduselei und schon gar kein Jägertee-seliges Après-Ski-Gegröle. „X-Mas“ in Affalterbach ist so mittlerweile zur regionalen Marke geworden. „Das Original: oft kopiert, aber unerreicht“, meint Wiesinger. Das sogenannte „andere Advent-Event“ lockt auch Besucher aus dem Rems-Murr-Kreis und dem Kreis Heilbronn an.
Alle Bands spielen ohne Gage. Das Geld geht dieses Jahr zum dritten Mal an die Klinikclowns und ihr Motto „Humor hilft heilen“. Schon vor dem Konzert waren die Affalterbacher Firmen großzügig und haben mehr als 2000 Euro gespendet. Auch der Italiener von nebenan liefert die Pizza zum Selbstkostenpreis. „Rund 16 000 Euro dürften in den letzten Jahren für den guten Zweck zusammengekommen sein“, schätzt Finanzchefin Monika Zinth. Zwei Jungs kontrollieren Taschen auf Flaschen. „Egal, ob auf zwei Beinen oder im Rucksack. Flaschen kommen bei uns nicht rein“, meint Roland Wiesinger. Dass ein privater Sicherheitsdienst an der Tür steht, sei der Grund dafür, dass es bei „X-Mas“ von Beginn an noch nie Stress gegeben habe. Die Mädels an der Kasse führen eine Strichliste. Nach dem 300. Besucher darf keiner mehr in die Kelter. Um 21 Uhr ist am Samstag bereits Schluss mit Einlass. Für die, die zu spät kommen, heißt es: Wir müssen leider draußen bleiben. „Natürlich fragen viele nach, ob wir uns nicht vergrößern wollen“, sagt Wiesinger. Das will der Musikverein aber nicht: Den neben der handgeschnitzten Livemusik ist es gerade der Kuschelfaktor der Kelter, der die gewisse Atmosphäre schafft. Draußen brennen zwei Ölfässer, drinnen vibriert sich derweil der Weihnachtsbaum die Nadeln von den Ästen. Gänsehaut zum Schluss. Das Finale ist mittlerweile ebenfalls Kult: Wenn alle fünf Bands gemeinsam mit 300 komplett durchgeschwitzten Gästen „Knocking on Heavens Door“ singen, kommt doch noch so etwas wie Weihnachtsstimmung auf.  

von thomas faulhaber
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